11 Facetten eines Winters

Der zweite Winter in meinem neuen Zuhause. Das Beste was mir wohl passieren konnte. Jetzt wo ich zurückblicke, habe ich jede Jahreszeit mit ihren Vor- und Nachteilen entdecken können und genieße es treue Gefährten stets an meiner Seite zu haben.

Viele Fortschritte haben wir gemeinsam erreicht. Das Einzige woran es noch ein wenig hapert, ist mein Jagdinstinkt. Wenn das Wild im Wald auftaucht, stelle ich meine Ohren auf Durchzug und sprinte los. Zweimal bisher, jedoch habe ich immer wieder die Biege gemacht und bin zurückgekehrt. Warum? Das bleibt mein Geheimnis. Hier vor Ort zeigte ich zumindest Respekt vor einer Wildsau, die erfreulicherweise eingesperrt war.

Wir haben bereits Februar, aber der Frühling liegt bei den frostigen Temperaturen noch in weiter Ferne. Da ging die Zeit um den Jahreswechsel bedeutend schneller um. Silvester hat mir weniger Angst gemacht als letztes Mal. Nun hatte ich bereits Vertrauen, dass jemand für mich da ist und zum anderen wecken diese bunten Lichter inzwischen meine Neugierde. Binnen einer Stunde nach dem Feuerwerk war die Welt schon wieder in Ordnung. Stolzer Fortschritt gegenüber dem vorigen Jahr, da hatte ich noch bis in die frühen Stunden mit dem Schrecken zu tun. Prima, wenn man so ohne Angst die Nacht genießen kann. Wir hatten ja auch Besuch und zusammen verflogen die Stunden bis in den Neujahrstag hinein.

Zuvor an Weihnachten war alles schön beleuchtet und es gab tolle Geschenke zu meinem Vergnügen. Erstmal einen riesengroßen Ziemer, der länger war als ich. Den habe ich mir sogar über die Woche eingeteilt. Von „Oma“ gab es ein neues Seil und meine „Tante“ hat mir ein Stofftier namens Rudi geschenkt. Ein Rentier, das neben Enton und Telefant nun auch jeden Abend mit Leckerchen gefüllt wird.

Die gute Stimmung wurde nur leider dieses Mal getrübt. Meine „Uroma“, die wir bald zum Geburtstag besuchen wollten, verstarb kurz vor Weihnachten. Ich hätte sie sehr gerne kennen gelernt und ihr meinen Dank für all die guten Worte und Geschenke gezeigt. Ja, mag sein, dass ich als Hund vielleicht diese Situation nicht erfassen kann, doch wir verstehen und empfinden auch Gefühle. Schließlich lauschte ich stets den Geschichten, die erzählt wurden und habe auch mit ihr telefoniert.

Die Fahrt nach Essen fand trotzdem statt, nur der Grund war somit nicht mehr schön. Unabhängig davon, war diese Reise schon ein weiteres Abenteuer. Zwischen seltsam, gemütlich und aufregend war wohl alles dabei. Die Großstadt im ersten Augenblick hat mich schon ein wenig verwirrt. So viele bunte Lichter, dazu Lärm und Gestank und obendrein waren auch noch überall Hunde in den Schaufenstern. Seltsam, dass die mir so ähnlich sind. Tatsächlich gab es noch einige weitere Huskys im Viertel, wo wir unsere Unterkunft hatten. Die konnten mir aber nicht erklären, wie sie es tagtäglich ertrugen, auf ein und derselben winzigen Grünfläche ihr Geschäft zu verrichten. Das bin ich ja gar nicht gewohnt. Zum Glück sind meine Leute oft unterwegs, da boten sich einige bessere und saubere Gelegenheiten bei der Gassirunde etwas freier zu bewegen.

Mit der Unterkunft kam ich wunnabar zurecht. Dat war wie Zuhause. Wir waren ja beim Lebensgefährten vonne „Oma“ und selbst innem Gästezimmer, hat ich nen eigenes Sofa. Decke druff und schon isset gemütlich. Dat is echt töfte beim Wolle. „Oma“ hat mir zusätzlich noch ne Kuschelecke gebaut und mein „Tante“, die mir das Rentier geschenkt hat, habbich auch beim Besuch kennengelernt. Außerdem kannste dich frei inne Bude bewegen und da is sogar nen kleinen Garten. Der is zwar nich grün und nennt sich Balkon, is aber egal. Ja, so isset und spricht sich im Ruhrpott.

Ich bin aber froh, dass meine Leute mich wieder mitgenommen haben. Endlich in meinen vertrauten Gefilden heim zu kehren und die Natur genießen. Schließlich haben wir in Essen noch exakt dieselbe Leine austauschen können. Jetzt sind meine 15 Meter Sicherheit wieder gewährleistet. Regulär bräuchte ich die Leinen nicht mehr unbedingt, aber für gewisse Strecken und Jagdinstinkte ist es doch besser.

Besonders am Klondike, der jetzt im Winter seine eisige Seite zeigt. Die riesigen Eiszapfen und Pfützen aus Glatteis werden aber nicht meine Freunde. Dann lieber doch im Schnee toben und ausgiebig buddeln. Zurzeit laufen wir sehr oft große Runden. Bei dem Wetter bleibt nicht viel anderes übrig, außerdem tut eine Kur nach all den Feiertagen gut.

Etwas Winterspeck darf man ja haben, das geht bei mir auf jeden Fall schnell wieder weg. Fleisch und warme Gerichte sind selten auf meinen Speiseplan, mag ich immer noch nur bedingt. Aber nur Trockenfutter ist doof und Steaks gibt es auch nicht jede Woche. Neben Käse und Eier habe ich Blutwurst vom Ring als mögliche Alternative entdeckt. Auf der Gemüse Seite war ich ja bisher Gurken, Erbsen, Möhren und Paprika nicht abgeneigt, jetzt folgt der Kohlrabi auf meiner Liste.

Einen Vorgeschmack auf den Frühling gab es bereits. Entspannt im Garten sich die ersten Sonnenstrahlen auf dem Pelz brennen zu lassen, während meine Leute schuften ohne Ende. Wahrlich ein tolles Hundeleben, so dass schon die ersten Träume und Vorstellungen auf das Jahr mir Vorfreude bereiten.